Eingliederungshilfe
Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen oder davon bedrohte Menschen können im Rahmen des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) Hilfen in Anspruch nehmen, um die Folgen ihrer Beeinträchtigung möglichst zu überwinden und ihnen die Selbstbestimmung sowie die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.
Träger der Eingliederungshilfe für volljährige Menschen mit Behinderungen ist in Rheinland-Pfalz das Land. Die Aufgaben des Landes nimmt das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung wahr, das u.a. für den Abschluss des Landesrahmenvertrags sowie der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen mit den jeweiligen Leistungserbringern zuständig ist. Für die gesamten sog. individuellen Leistungsangelegenheiten bleibt es jedoch, wie bisher auch, bei der Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte, so dass die Menschen mit Behinderungen auch künftig dieselben direkten Ansprechpartner, nämlich die Sozialämter, haben.
Seit dem 1. Januar 2020 benötigt das örtliche Sozialamt von allen Personen, für die erstmals Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht werden sollen, einen Antrag. Dieser Antrag kann formlos erfolgen. Die Leistungen der Eingliederungshilfe können daher erst ab dem Monat der Antragstellung bewilligt und finanziert werden – nicht hingegen für Zeiträume, die davorliegen. Nähere Informationen zu den erforderlichen Unterlagen erhalten Sie vom zuständigen Sozialamt.
Auch vor bzw. unabhängig von einer Antragstellung haben Menschen mit Behinderungen jedoch das Recht, sich umfassend beraten zu lassen.
Für Beratung und nähere Information stehen die örtlichen Sozialämter sowie die Beratungsstellen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) zur Verfügung.
Menschen mit Behinderungen erhalten häufig auch Leistungen der Pflegeversicherung und der Hilfe zur Pflege. Welche Leistung wann greift, hängt von den jeweils individuellen Bedingungen wie der Wohnform, dem Alter und dem Bedarf der leistungsberechtigten Person ab.
Für Beratung und nähere Information stehen die örtlichen Sozialämter sowie die Beratungsstellen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) zur Verfügung.
Das SGB IX sieht eine deutliche Verbesserung der Regelungen zur Kostenbeteiligung zugunsten der Personen vor, die Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten.
Die Freibeträge bei Einkommen und Vermögen werden gegenüber dem bisherigen Recht teils deutlich erhöht. Insbesondere Einkommen aus Arbeit und Beschäftigung wird stärker „geschont“. Damit will der Gesetzgeber die Arbeitsleistung von Menschen mit Behinderungen stärker anerkennen und ihnen ermöglichen, Geldbeträge für ihre Altersvorsorge oder besondere Ausgaben anzusparen.
Das Einkommen und Vermögen von Partnerinnen und Partnern wird nicht mehr herangezogen. Seit dem 1. Januar 2020 wird nur noch das Einkommen der erwachsenen leistungsberechtigten Person betrachtet. Die Berechnung der Einkommensgrenzen sowie eventueller Eigenanteile wird verändert und das Verfahren vereinfacht. Für die meisten Leistungsberechtigten reicht künftig die Vorlage des Einkommenssteuerbescheids.
Wichtig ist jedoch: Von den Verbesserungen profitieren hauptsächlich Menschen mit Behinderungen, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und lediglich Fachleistungen der Eingliederungshilfe benötigen. Für Menschen, die zusätzlich existenzsichernde Leistungen wie zum Beispiel Grundsicherung erhalten, gelten bei deren Beantragung die Regelungen des Sozialgesetzbuchs XII.
Eigenbeitrag
Bestimmte Leistungsgruppen werden ganz unabhängig von eigenem Einkommen und Vermögen bewilligt. Das gilt zum Beispiel für die Leistungen zur Teilhabe an Arbeit oder Bildung. Bei den meisten Leistungen der sozialen Teilhabe, etwa bei den Assistenzleistungen, wird geprüft, ob ein eigener Beitrag aus Einkommen und Vermögen fällig wird. Die Einkommensgrenzen sind abhängig von der Einkommensart und verändern sich dynamisch entsprechend der jährlichen Bezugsgröße der Sozialversicherung. Wer weniger verdient, zahlt keinen Eigenbeitrag für seine Unterstützungsleistung.
Unterhaltsbeitrag
Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderungen mussten bisher einen Unterhaltsbeitrag zahlen und sich damit finanziell an den Kosten der Eingliederungshilfe beteiligen.
Dies entfällt ab 2020 durch die neuen Regelungen im Angehörigen-Entlastungsgesetz, wenn die Eltern zusammen nicht mehr als 100.000 Euro pro Jahr verdienen.
Das SGB IX entlastet auch erwachsene Kinder von Eltern mit Behinderung. Sie müssen nicht mehr für Leistungen der Eingliederungshilfe ihrer Eltern aufkommen, sofern sie jeweils nicht mehr als 100.000 Euro pro Jahr verdienen.
Für Beratung und nähere Information stehen die örtlichen Sozialämter sowie die Beratungsstellen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) zur Verfügung.
Die überregionale Einrichtung „Cleantime - Drogenhilfe sofort“ liegt in Mayen-Kürrenberg in der Eifel und bietet Platz für 23 Klientinnen und Klienten; die Regelaufenthaltsdauer beträgt drei Monate. Die Einrichtung dient der Orientierung und Vorbereitung auf weiterführende Maßnahmen (ambulante Therapie, stationäre Kurz- oder Langzeittherapie, Betreutes Wohnen). Die Aufgabe und Zielsetzung der Einrichtung besteht darin, diejenigen drogenabhängigen Menschen zu erreichen, die von herkömmlichen Angeboten der Drogenhilfe nicht sofort erreicht werden können. Die Einrichtung Cleantime ist konzeptionell darauf ausgerichtet, drogenabhängige Menschen aufzunehmen, die einerseits Bedarf nach stationärer Unterbringung haben, andererseits innerhalb eines vertretbaren Zeitrahmens anderweitig nicht zielgerichtet vermittelt werden können.
Aufgenommen werden können drogen- und mehrfachabhängige Menschen ab 18 Jahren, die
- aufgrund ihrer speziellen sozialen Lebensverhältnisse und -umstände noch nicht zu einer medizinischen Rehabilitation in der Lage sind und den Aufenthalt als Vorbereitung hierzu nutzen wollen,
- aufgrund ihrer Motivation noch nicht in eine medizinische Rehabilitation zu vermitteln sind,
- die Zeit zwischen Entgiftung und stationärer medizinischer Rehabilitation überbrücken wollen,
- sich im cleanen Rahmen über mögliche Anschlussmaßnahmen informieren und diese einleiten wollen,
- keine Kostenübernahme zur medizinischen Rehabilitation zu erwarten haben oder mit einer erheblichen Wartezeit zu rechnen hätten und eine drogenfreie Zeit für sich einrichten wollen,
- bereit sind, sich in einem abstinenten Rahmen mit verbindlichen sozialen Strukturen einbinden zu lassen.
Drogen- und mehrfachabhängige Menschen, die das 21. Lebensjahr bereits vollendet haben, können im Rahmen des Platzangebotes ohne vorherige Kostenzusage durch das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung aufgenommen werden.
Personen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren müssen die Kostenübernahme zunächst beim zuständigen Jugendhilfeträger beantragen und können erst nach einer entsprechenden Kostenzusage durch das Jugendamt aufgenommen werden.
Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen haben zusätzlich zu ihrem Anspruch auf Beratung durch die Rehabilitationsträger die Möglichkeit, unabhängige Beratungsstellen aufzusuchen. Diese von Reha-Trägern oder Leistungsanbietern unabhängigen ergänzenden Beratungsstellen sind ein niedrigschwelliges Angebot, in dem vor allem Menschen mit Behinderungen arbeiten. Es ist also nach dem Prinzip des „Peer Counseling“ eine Beratung für Betroffene von Betroffenen. Diese kennen vieles aus eigener Erfahrung, sie kennen die Hürden und auch die Möglichkeiten. In Rheinland-Pfalz gibt es ein flächendeckendes Netz von derzeit 27 unabhängigen Teilhabeberatungsstellen in der Stadt und auf dem Land - die höchste Dichte bundesweit.
Alle Beratungsangebote der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung finden Sie hier.
Mehr auf www.teilhabeberatung.de.
Die Gesamtplanung ist in der Eingliederungshilfe das Verfahren, mit dem der Bedarf des Menschen mit Behinderungen ermittelt und im Anschluss daran die individuellen Leistungen festgestellt werden.
Seit 2018 gelten gesetzliche Vorgaben für das Instrument, mit dem die Bedarfe bei den Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen ermittelt werden. In Rheinland-Pfalz wurde ein landesweit einheitliches Instrument entwickelt, das den Kurznamen „IBE-RLP“ trägt. Das Instrument stellt einen Gesprächsleitfaden dar, mit dem zentral zunächst die Ziele, Wünsche und Perspektiven des betroffenen Menschen in den Mittelpunkt gestellt und Teilhabebarrieren identifiziert werden. Daraus werden die individuellen Unterstützungsbedarfe abgeleitet. Kernelement ist das Gespräch der Mitarbeitenden des örtlichen Sozialamts mit der betroffenen Person und Angehörigen, ergänzt durch die Perspektive von Anbietern oder anderen Vertrauenspersonen.
Über das Ergebnis der Bedarfsermittlung und die Erbringung der Leistung können die beteiligten Personen und Organisationen in Plankonferenzen beraten. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Gesamtplan- und Teilhabeplankonferenzen. Wer beteiligt ist, hängt vom Einzelfall ab. Mitunter können unterschiedliche Zuständigkeiten berührt sein, beispielsweise von örtlichem Sozialamt und Rentenversicherungsträger. Wichtig ist jedoch: Der Mensch mit Behinderungen muss der Konferenz zustimmen. Ohne die Zustimmung des betroffenen Menschen mit Behinderungen können die Planungskonferenzen nicht durchgeführt werden.
Für Beratung und nähere Information stehen die örtlichen Sozialämter sowie die Beratungsstellen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) zur Verfügung.
Die Schiedsstelle gemäß § 133 SGB IX ist organisatorisch dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung angegliedert und für die Angelegenheiten der Eingliederungshilfe sowohl der erwachsenen als auch der minderjährigen Menschen mit Behinderungen zuständig. Die laufenden Geschäfte der Schiedsstelle werden von der Geschäftsstelle der Schiedsstelle beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung geführt.
Die Schiedsstelle hat die Funktion eines hoheitlichen Vertragshilfeorgans. Sie besteht aus jeweils sechs Vertretern der Träger der Eingliederungshilfe (drei vom Land Rheinland-Pfalz und drei von den Landkreisen und kreisfreien Städten) und der Leistungserbringer sowie einem unparteiischen vorsitzenden Mitglied. Die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen können zwei Vertreter entsenden, die an den Sitzungen der Schiedsstelle mit beratender Stimme teilnehmen.
Als Entscheidungsgremium wird die Schiedsstelle auf Antrag der Vertragsparteien immer dann tätig, wenn innerhalb der gesetzlich vorgesehenen 3-Monats-Frist keine Einigung über die Inhalte der Leistungs- und/oder Vergütungsvereinbarung erzielt werden konnte; sie entscheidet kraft Gesetzes weisungsfrei.
Die Geschäftsstelle führt die laufenden Geschäfte der Schiedsstelle und unterliegt ausschließlich den Weisungen des vorsitzenden Mitglieds. Sie sorgt für die Zuleitung der notwendigen Unterlagen an die Parteien und die Mitglieder der Schiedsstelle und ist zuständig für die Organisation der Sitzungen, die Protokollführung, die Geltendmachung der Gebühren sowie die Erstattung von Auslagen.
Landesverordnung über die Schiedsstelle nach § 133 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch
Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten Menschen mit Behinderungen, die ein Studium an einer Hochschule absolvieren, Leistungen, um behinderungsbedingte Bedarfe abzudecken. Aufwendungen für Bedarfe, die auch einem nichtbehinderten Studierenden entstehen, können nicht übernommen werden.
Eine weitere Einschränkung für die Leistungsgewährung durch die Eingliederungshilfe ergibt sich aus dem Hochschulrahmengesetz, dem Hochschulgesetz Rheinland-Pfalz sowie dem Landesbehindertengleichstellungs-gesetz. Demnach haben die Hochschulen in Rheinland-Pfalz dafür Sorge zu tragen, dass Studierende mit Behinderungen in ihrem Studium nicht benachteiligt werden dürfen und die Angebote der Hochschule möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch genommen werden können. Die Hochschulen haben also im Rahmen der sogenannten Barrierefreiheit dafür zu sorgen, dass alle baulichen und sonstigen Anlagen, aber auch technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.
Weitere Voraussetzungen für die Hilfegewährung können den sogenannten Hochschulempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe (BAGüS) unter https://www.bagues.de/de/veroeffentlichungen/orientierungshilfen-und-empfehlungen/ entnommen werden.
Für Beratung und nähere Information stehen die örtlichen Sozialämter sowie die Beratungsstellen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) zur Verfügung (Link zu EUTB).
Neben gesetzlichen Regelungen des Bundesrechts und des rheinland-pfälzischen Landesrechts bilden Verträge eine maßgebliche Grundlage für Entscheidungen in der Eingliederungshilfe.
Auf Landesebene hat das Landesamt mit den Vereinigungen der Leistungserbringer den Landesrahmenvertrag nach § 131 SGB IX geschlossen. Die Regelungen zur Teilhabe am Arbeitsleben waren bereits zum 1. Januar 2019 abschließend verhandelt.
Hinsichtlich der Sozialen Teilhabe befinden sich die Vertragspartner noch in Verhandlungen. Um in der Zeitspanne, die für die Erarbeitung einer neuen Leistungs- und Vergütungssystematik sowie den Abschluss der Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen benötigt wird, Rechtssicherheit zu haben, wurde eine Umsetzungsvereinbarung beschlossen (Anlage 13 des Landesrahmenvertrags). In der Zeit vom 1. Januar 2020 bis 31. Dezember 2022 gelten daher die bisherigen Regelungen weiter.
Menschen mit Behinderungen können sich auch dafür entscheiden, dass die erforderlichen Hilfen nicht als sogenannte "Sachleistung" gewährt, sondern als Geldbetrag direkt an sie selbst ausgezahlt werden. In diesem Fall müssen die Betroffenen die Hilfe selbst organisieren. Sie können dann aber auch selbst bestimmen, wer diese Hilfe leisten soll.
Menschen mit Behinderungen können mit dem persönlichen Budget Leistungen bei einem Anbieter einkaufen. Sie können aber auch selbst Assistenzkräfte beschäftigen und damit zum Arbeitgeber werden. Das bedeutet aber auch, Sorge dafür zu tragen, dass die angestellten Personen sich bei der Krankenkasse und beim Finanzamt anmelden, da sie steuer- und versicherungspflichtig sind. Eine Beschäftigung auf 450-Euro-Basis muss in der Mini-Job-Zentrale der Knappschaft angemeldet werden.
Der Weg zum Persönlichen Budget ist der gleiche wie bei der Beantragung von Sachleistungen. Zuerst muss der individuelle Bedarf an Unterstützung ermittelt werden. Auf dieser Grundlage werden die benötigten Unterstützungsleistungen dann in Geldbeträge umgerechnet und durch das örtliche Sozialamt bewilligt. Die Auszahlung erfolgt im Falle eines Persönlichen Budgets direkt an den Menschen mit Behinderungen und nicht – wie bisher - an den Anbieter der Unterstützungsleistung.
Oftmals sind die Leistungen der Eingliederungshilfe nicht die einzigen Leistungen, die ein Mensch mit Behinderungen erhält. Es können beispielsweise Leistungen der Krankenkasse hinzukommen. Hier besteht die Möglichkeit, alle Leistungen gebündelt als trägerübergreifendes Persönliches Budget zu erhalten. Das heißt, die beteiligten Stellen zahlen ihren Anteil an dem Persönlichen Budget und der Gesamtbetrag wird dann an den Leistungsberechtigten ausbezahlt. Auch hier muss lediglich ein Antrag bei einem der beteiligten Reha-Träger (Sozialamt, Kranken- oder Pflegekasse) gestellt werden. Dieser stimmt sich dann mit allen anderen beteiligten Kostenträgern ab.
Für Beratung und nähere Information stehen die örtlichen Sozialämter sowie die Beratungsstellen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) zur Verfügung.
Leistungen zur Sozialen Teilhabe
Um Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und zu erleichtern, werden Leistungen zur Sozialen Teilhabe im Rahmen der Eingliederungshilfe erbracht. Die Leistungen sollen Menschen befähigen und unterstützen, ihre Lebensführung im eigenen Wohnraum und in ihrem Sozialraum möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten.
Menschen mit Behinderungen sollen selbst entscheiden können, wie und mit wem sie wohnen und leben möchten: selbstständig in der eigenen Wohnung oder in einer Gruppe oder in einem Angebot der besonderen Wohnform zusammen mit anderen Menschen mit Behinderungen. Den Wünschen der leistungsberechtigten Menschen, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, ist zu entsprechen, soweit sie angemessen sind.
Was ist neu seit dem 1. Januar 2020?
Für Menschen, die die bisherigen sogenannten „ambulanten“ Leistungen erhalten, hat sich nichts geändert. Von den örtlichen Sozialämtern erhalten sie ihre Leistungen weiter wie bisher.
Für Menschen mit Behinderungen, die in den besonderen Wohnformen leben, hat sich hingegen die Finanzierung ihrer Unterstützung geändert. Die Fachleistungen für die Eingliederungshilfe und die existenzsichernden Leistungen, wie Grundsicherung und Hilfe zum Lebensunterhalt, werden nicht mehr zusammen in einem Vergütungssatz vom Sozialamt an den Leistungsanbieter gezahlt, sondern getrennt.
Wer kein oder kein ausreichendes eigenes Einkommen hat, muss einen Antrag auf Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt beim zuständigen Sozialamt stellen, genauso wie Menschen ohne Behinderungen auch. Dieses Geld geht grundsätzlich direkt auf das Konto der betroffenen Person, die ihre Miete und die sonstigen Leistungen zum Leben, wie z.B. Nahrungsmittel, dann selbst an den Anbieter überweist.
Für Beratung und nähere Information stehen die örtlichen Sozialämter sowie die Beratungsstellen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) zur Verfügung.
Mittagessen
Menschen mit Behinderungen, die das Angebot einer Tagesförderstätte, einer Tagesstätte oder eines sonstigen tagesstrukturierenden Angebots wahrnehmen, können dort ihr Mittagessen erhalten.
Wer genug Geld für seinen Lebensunterhalt verdient, bezahlt sein Mittagessen selbst.
Wer Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt bekommt, muss seit 2020 beim örtlichen Sozialamt angeben, dass sie oder er ein Angebot der Tagesstruktur wahrnimmt und an wie vielen Tagen pro Woche sie oder er am Mittagessen teilnimmt. Für diese Tage pro Woche gewährt das örtliche Sozialamt den sogenannten „Mehrbedarf“. Die Höhe des täglichen Mehrbedarfs bestimmt sich jährlich neu. Mit diesem Geld müssen die Menschen mit Behinderungen dann das Mittagessen in dem tagesstrukturierenden Angebot bezahlen.
Werkstatt für behinderte Menschen
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind Einrichtungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Wer nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann, findet hier eine Beschäftigung. Die 36 Werkstätten in Rheinland-Pfalz sind ein wichtiges Angebot, um Teilhabe an Arbeit, soziale Kontakte und individuelle Selbstbestimmung zu realisieren. Die Menschen mit Behinderungen leisten eine sinngebende Arbeit, sind sozialversichert und erhalten ein Entgelt für ihre Tätigkeit. Das Entgelt setzt sich aus dem Grundbetrag und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag, der von der Leistungsfähigkeit des Beschäftigten und der Wirtschaftskraft der Werkstatt abhängt, zusammen. Die Werkstatt steht grundsätzlich auch Menschen mit hohen und besonderen Unterstützungsbedarfen offen.
Nicht aufgenommen werden können jedoch Menschen, bei denen
- trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist oder
- das Ausmaß der erforderlichen Betreuung und Pflege die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen.
Das Land Rheinland-Pfalz sowie die rheinland-pfälzischen Landkreise und kreisfreien Städte finanzieren im Rahmen der Eingliederungshilfe die rund 14.000 Werkstatt-Arbeitsplätze für die Beschäftigten mit Behinderungen sowie deren individuelle Unterstützung, Anleitung und Begleitung durch Fachkräfte.
Andere Leistungsanbieter
Neben den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) können Leistungen im Eingangsverfahren, Berufsbildungsbereich und Arbeitsbereich – ganz oder teilweise – auch von sogenannten „anderen Leistungsanbietern“ erbracht werden.
Andere Leistungsanbieter sind keine Arbeitgeber des allgemeinen Arbeitsmarktes, sondern ein Angebot der Eingliederungshilfe. Sie müssen vergleichbare Leistungen und Qualitätsstandards wie eine Werkstatt anbieten. Es gibt jedoch gesetzliche Vorgaben, die andere Leistungsanbieter nicht erfüllen müssen:
- Es ist keine förmliche Anerkennung notwendig.
- Es muss keine Mindestplatzzahl erfüllt werden (für Werkstätten gilt eine Mindestgröße von 120 Plätzen).
- Die für Werkstätten geltende erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung muss nicht vorgehalten werden. Die Leistung kann auch auf Plätzen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes erbracht werden.
- Das Angebot kann sich auch auf Teilleistungen beschränken. Es besteht keine Verpflichtung, Leistungen im Eingangsverfahren / Berufsbildungsbereich (§ 57 SGB IX) und Arbeitsbereich (§ 58 SGB IX) vorzuhalten.
- Es besteht keine Aufnahmeverpflichtung und es gibt kein zugewiesenes Einzugsgebiet.
Wer in Rheinland-Pfalz ein Angebot als anderer Leistungsanbieter schaffen möchte, muss mit dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) als Träger der Eingliederungshilfe eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung schließen. Diese Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen.
Für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich ist eine Vereinbarung mit der jeweiligen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit erforderlich.
Werkstattrat, Frauenbeauftragte
In jeder Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) und bei anderen Leistungsanbietern mit mindestens 5 Wahlberechtigten wird von den Beschäftigten ein Werkstattrat und eine Frauenbeauftragte gewählt. Sie vertreten die Interessen der Beschäftigten gegenüber der Werkstattleitung und unterstützen bei Fragen am Arbeitsplatz.
Die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte für Beschäftigte in der Werkstatt regelt die Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO).
In Werkstätten mit mehr als 200 Wahlberechtigten haben die Vorsitzende oder der Vorsitzende des Werkstattrats sowie die Frauenbeauftragte ein Recht auf vollständige Freistellung von der Beschäftigung in der Werkstatt. Ab 700 Wahlberechtigten in der Werkstatt kann auch die erste Stellvertretung auf Verlangen freigestellt werden.
Werkstatträte und Frauenbeauftragte in Werkstätten haben einen Anspruch auf Freistellung für Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für bis zu 15 Tage pro Amtszeit; bei erstmaliger Wahrnehmung des Amtes sogar für bis zu 20 Tage pro Amtszeit. Somit kann jedes Werkstattratsmitglied sowie die Frauenbeauftragte ohne Minderung des Entgelts während der Arbeitszeit an Fortbildungen teilnehmen, die für die eigene Arbeit nützlich sind.
Der Träger der Eingliederungshilfe finanziert den Werkstätten den Aufwand für die Tätigkeit des Werkstattrats und der Frauenbeauftragten. Dazu zählen ein Büro und die technische Ausstattung (zum Beispiel ein Telefon), die Unterstützung der Vertrauensperson sowie die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen.
Werkstättenmitwirkungsverordnung (WMVO)
Fragen und Antworten zur Frauenbeauftragten (BAG WfbM)
Mittagessen
Menschen mit Behinderungen, die in einer Werkstatt oder bei einem anderen Leistungsanbieter beschäftigt sind, können dort ihr Mittagessen erhalten.
Wer genug Geld für seinen Lebensunterhalt verdient, bezahlt sein Mittagessen selbst.
Menschen mit Behinderungen, die Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, müssen seit 2020 beim örtlichen Sozialamt angeben, dass sie in der Werkstatt arbeiten und an wie vielen Tagen pro Woche sie am Mittagessen teilnehmen. Für diese Tage pro Woche gewährt das örtliche Sozialamt den sogenannten „Mehrbedarf“. Die Höhe des täglichen Mehrbedarfs bestimmt sich jährlich neu. Mit diesem Geld müssen die Menschen mit Behinderungen dann das Mittagessen in der Werkstatt bezahlen.
Budget für Arbeit
In Rheinland-Pfalz wird bereits seit vielen Jahren das Budget für Arbeit erfolgreich praktiziert. Seit 2018 ist es im SGB IX als Förderinstrument gesetzlich neu verankert. Es verbindet Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber mit individueller Vermittlung, Anleitung und Begleitung der betroffenen Menschen mit Behinderungen und ist zeitlich nicht befristet.
Mit dem Budget für Arbeit werden Menschen mit Behinderungen gefördert, die Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter haben. Sie müssen mit einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung abgeschlossen haben.
Das Budget für Arbeit umfasst:
- einen Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber zum Ausgleich der behinderungsbedingten Minderleistung der beschäftigten Person,
- die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderlichen Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz.
Der Lohnkostenzuschuss beträgt in Rheinland-Pfalz bis zu 75 Prozent des von dem Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts, jedoch höchstens 60 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Der Lohnkostenzuschuss darf die vergleichbar in der Werkstatt entstehenden Aufwendungen der Leistungsträger nicht überschreiten.
Über die Bedarfsermittlung im Rahmen der Gesamtplanung wird die erforderliche Anleitung und Begleitung festgestellt. Nach Maßgabe des Wunsch- und Wahlrechts der Menschen mit Behinderungen und der Feststellung im Gesamtplan kann die Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz auch von mehreren Leistungsberechtigten gemeinsam in Anspruch genommen werden, soweit die Teilhabeziele erreicht werden.
Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes gehören nicht zum Budget für Arbeit.
Für Beratung und nähere Information stehen die örtlichen Sozialämter sowie die Beratungsstellen der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) zur Verfügung.
Menschen mit Behinderungen und/oder pflegebedürftige Menschen, die mit einer Entscheidung des für sie zuständigen örtlichen Sozialhilfeträgers, also den Kreisverwaltungen und den Verwaltungen der kreisfreien Städte, nicht einverstanden sind, können dagegen Widerspruch einlegen.