Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
Der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen hat das Ziel, den behinderten Beschäftigten zu schützen und den Arbeitsplatz zu erhalten. Das Kündigungsverfahren gemäß Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX) ist dem arbeitsgerichtlichen Kündigungsverfahren nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorgeschaltet. Bei einer ordentlichen Kündigung besteht eine Mindestkündigungsfrist von vier Wochen (§ 169 SGB IX). Die ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Sie kann auch nicht nachträglich durch das Integrationsamt genehmigt werden.
Unter Downloads kann ein Muster eines Antrages auf Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses heruntergeladen werden. Dieses Muster ist nicht zwingend vorgeschrieben. Der Antrag kann auch frei formuliert werden.
Das Zustimmungsverfahren des Integrationsamtes zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist in den §§ 170 ff. SGB IX geregelt.
Die Zustimmung zur Kündigung beantragt die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber schriftlich beim Integrationsamt, das für den Sitz seines Betriebes zuständig ist.
Elektronische Antragstellung möglich
Anträge von Arbeitgebern an das Integrationsamt Rheinland-Pfalz
Rechtsgrundlagen
Durch das „Gesetz zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes“ (Bundesgesetzblatt Teil 1 Nr. 16 vom 4. April 2017) entfällt das bisherige Erfordernis der Schriftform für eine Reihe von Vorschriften. Eine maßgebliche Änderung betrifft den besonderen Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen. Der Paragraf 170 SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) lautet nun wie folgt:
„Die Zustimmung zur Kündigung beantragt der Arbeitgeber bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt schriftlich oder elektronisch."
Damit können Anträge von Arbeitgebern auf Zustimmung zur Kündigung schwerbehinderter Menschen auch per E-Mail gestellt werden.
Antragstellung
Bitte beachten Sie: Für Anträge auf Zustimmung zur Kündigung ist der elektronische Zugang ausschließlich über die Virtuelle Poststelle (VPS) des Landes Rheinland-Pfalz eröffnet. Nähere Informationen finden Sie hierzu unter https://nutzerkonto.service.rlp.de.
Das Integrationsamt erstellt
- an die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber: eine Eingangsbestätigung für den Antrag,
- an Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat: eine Kopie der Eingangsbestätigung samt Aufforderung zur Stellungnahme,
- an den betroffenen Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin: eine Eingangsbestätigung samt Kopie des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung sowie ein Hinweisblatt und einen Fragebogen zur Abgabe einer Stellungnahme zum Antrag des Arbeitgebers,
- an die Agentur für Arbeit: eine Kopie der Eingangsbestätigung samt Kopie des Antrags auf Zustimmung zur Kündigung.
Das Integrationsamt ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen, holt sämtliche Beweismittel wie Urkunden, Zeugenaussagen und Sachverständigenurteile sowie Stellungnahmen des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört den Arbeitnehmer an. Das Integrationsamt kann einen Ortstermin im Betrieb ansetzen und eine Betriebsbegehung durchführen, wobei Anhörungs- und Mitwirkungspflichten aller Beteiligten bestehen. Es hat auf eine gütliche Einigung hinzuwirken.
Das Integrationsamt soll seine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung treffen.
- Bei einer ordentlichen Kündigung soll die Entscheidung innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags getroffen werden (§ 171 SGB IX)
- bei einer außerordentlichen Kündigung soll die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags getroffen werden (§ 174 Absatz 3 SGB IX). Trifft das Integrationsamt innerhalb dieser Zeit keine Entscheidung, gilt die Zustimmung als erteilt (§ 174 Absatz 3 SGB IX).
Das Integrationsamt stellt der Arbeitgeberin/dem Arbeitgeber und der/dem von Kündigung bedrohten Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer seine Entscheidung zu. Der Agentur für Arbeit wird eine Kopie der Entscheidung zugesandt.
Nach der ordnungsgemäßen Zustellung der Entscheidung kann die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber im Falle der Zustimmung die ordentliche Kündigung aussprechen. Sie/er hat hierzu eine Ausschlussfrist von einem Monat nach Zustellung. Bei der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ist diese unverzüglich durch die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber zu erklären. Lässt der Arbeitgeber diese Frist verstreichen, ist die Kündigung nicht mehr zulässig.
Legt die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer Widerspruch gegen die der Kündigung zustimmende Entscheidung ein oder erhebt sie/er gegen einen negativ ausfallenden Widerspruchsbescheid Klage, so hindert dies den Arbeitgeber nicht daran, die Kündigung auszusprechen.
Einige Ausnahmen von der notwendigen Zustimmung des Integrationsamtes bei einer Kündigung durch die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber enthält § 173 SGB IX. Hiernach ist unter anderem die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen innerhalb von sechs Monaten seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses zustimmungsfrei (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Es genügt, wenn die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber die Kündigung innerhalb der Sechsmonatsfrist erklärt, selbst wenn die Kündigungsfrist danach endet.
Zustimmungsfrei sind unter bestimmten Voraussetzungen auch Kündigungen von schwerbehinderten Menschen, die sozial abgesichert sind (§ 173 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX); ferner Kündigungen der in § 173 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGB IX genannten Beschäftigungsverhältnisse.
Keine Anwendung finden die Vorschriften des besonderen Kündigungsschutzes nach § 173 Abs. 3 SGB IX auch, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt (in Rheinland-Pfalz zuständige Behörde: das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung), nach Ablauf der Frist des § 152 Abs. 1 Satz 3 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte. Der besondere Kündigungsschutz gilt danach unter folgenden Voraussetzungen:
- Die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft (Grad der Behinderung gleich bzw. größer als 50) bzw. die Gleichstellung liegt vor.
- Es muss ein Antrag auf Gleichstellung oder Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt worden sein. Dieser vollständige Antrag muss mindestens 3 Wochen vor Zugang der Kündigungserklärung / Antrag auf Zustimmung zur Kündigung bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (Versorgungsamt) vorgelegt worden sein.
Die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber oder der schwerbehinderte Mensch kann Widerspruch innerhalb der Widerspruchsfrist von 1 Monat nach Zugang der Entscheidung erheben. Aufgrund der Doppelwirkung der Entscheidung des Integrationsamtes kann es selbst den Bescheid nicht aufheben oder abändern. Nach erneuter Überprüfung des Sachverhaltes, insbesondere aufgrund einer vorgetragenen Widerspruchsbegründung, wird der Widerspruch dem Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt zur Entscheidung vorgelegt.
Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an das örtlich für Sie zuständige Integrationsamt; Ansprechpartner und Adresse finden Sie unter dem Punkt Integrationsamt.