„Derartige Szenarien verursachen Unsicherheit, die wir gerne ausräumen möchten. Unsere Fachkompetenzen im Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung, (LSJV) als obere Gesundheitsbehörde, bestehend unter anderem aus Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, haben das Thema aufgearbeitet und verständlich erklärbar gemacht“, so Anna Bendel, Sprecherin des LSJV.
Das LSJV hat innerhalb der Organisation hierzu die Arzneimittel- und Medizinprodukte-überwachende Stelle interviewt und möchte die Einschätzung der eigenen Experten gerne der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Frau Nina Scherer (Pharmazeutin) erklärt:
„Zunächst ist es wichtig ein Verständnis zu haben, welche Bestandteile des Virus in diesem Zusammenhang eine Relevanz besitzen und wie sich diese Bestandteile bei der neuen Variante verändert haben. Vereinfacht gesagt besteht das Virus aus Strukturen, welche die Oberfläche des Virus bestimmen, und aus Strukturen im Inneren des Virus, welche die Erbsubstanz des Virus umhüllen. In vereinfachten bildlichen Darstellungen werden die Oberflächenstrukturen häufig als „Antennen“ dargestellt. Die Oberflächenstrukturen des Virus spielen eine besonders wichtige Rolle beim Eindringen in den menschlichen Körper.
Die im Kontext mit Virusvarianten des Corona-Virus wichtigste Oberflächenstruktur wird als Spike-Protein (S-Protein) bezeichnet. Die Struktur im Inneren wird in Fachkreisen als Nucleocapsid-Protein (N-Protein) bezeichnet.
Um eine höhere Ansteckrate zu generieren, ist es für ein Virus von Vorteil, durch kleinere Veränderung der Erbsubstanz, sogenannten Mutationen, seine Oberfläche regelmäßig zu verändern. Dieses Phänomen ist wissenschaftlich auch bei anderen Virusarten (z.B. dem Grippevirus) bekannt. Durch eine veränderte Oberfläche gelingt es dem Virus, dass unser Immunsystem das Virus nicht (sofort) erkennen kann. Je nachdem wie umfangreich die Oberfläche verändert ist, geht diese „Tarnung“ soweit, dass selbst wenn eine Person bereits im Vorfeld mit Virusbestandteilen in Kontakt gekommen war, eine erneute Infektion stattfinden kann.
Im Falle der aktuell vorherrschenden Omikron-Variante ist dieses Phänomen der veränderten Oberfläche besonders eindrücklich. Fast 65% der genetischen Veränderung, im Vergleich zum ursprünglichen SARS-CoV-2-Virus (Wildtyp), betreffen das Protein der Oberfläche des Virus und führen zu einer Veränderung des erwähnten Spike-Proteins. Im Gegensatz dazu ist das im „inneren“ befindliche N-Protein der Variante nahezu unverändert. Vereinfacht kann man daher sagen, dass Omikron zwar mit einem neuen äußerlichen Erscheinungsbild in den Körper gelangt, das innere Protein aber identisch mit dem Ursprungsvirus ist.
Diejenigen Antigen-Schnelltests, die nach dem sehr stabilen N-Protein im Inneren des Virus suchen, haben eine sehr große Sicherheit, auch die neue Variante nachzuweisen. Umgekehrt schließen diejenigen Antigen-Schnelltests, welche nach dem sich häufig veränderten S-Protein auf der Oberfläche suchen, bei der Omikron-Detektion deutlich schlechter ab. Diese Tatsache kann beispielsweise als eine Erklärung für die oben bereits angesprochenen Testergebnisse aus den USA angebracht werden. Wurden in Zuge der Untersuchungen insbesondere Antigentests geprüft, welche das veränderte Oberflächenprotein nachweisen, so ist ein verlässliches Anzeigen der Omikron Variante nicht gegeben.
An dieser Stelle möchte ich allerdings direkt darauf hinweisen, dass der überwiegende Teil der in Deutschland verfügbaren Tests das stabile N-Protein nachweist und daher nach aktuellem Stand der Wissenschaft und Technik geeignet ist, die Omikron-Variante nachzuweisen.
Die Bundesoberbehörden Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM), Robert-Koch-Institut (RKI) sowie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) haben eine Liste der entsprechend geeigneten Testreifen erstellt und veröffentlicht. Diese Liste wird fortlaufend aktualisiert. Besonders die sogenannte PEI-Evaluation liefert wichtige Hinweise zur Qualität der verfügbaren Antigen-Schnelltests. Hierbei handelt es sich um eine vergleichende Analyse und Bewertung der einzelnen Tests. Vereinfacht gesagt wird geprüft, ob die Antigentests bei einer positiven Probe ein positives Testergebnis verlässlich anzeigen. Hierzu werden mehrere Untersuchungen mit positiven Proben durchgeführt und mit vorher festgelegten Mindeststandards verglichen. Nur diejenigen Antigentests, welche die Mindeststandards erfüllen, werden mit einem „Ja“ dargestellt. Wurde das Produkt noch nicht evaluiert, erscheint „Nein“. Fällt der Test durch die unabhängige behördliche Prüfung durch, wird er von der Liste gestrichen und ist damit nicht mehr auffindbar. Die Liste ist öffentlich zugänglich und kann auf der Seite des BfArMs aufgerufen werden.
In den Teststellen in Rheinland-Pfalz dürfen laut der geltenden Test-Verordnung nur Tests eingesetzt werden, welche sowohl beim BfArM gelistet sind als auch jene Qualitätsuntersuchung durch das PEI erfolgreich durchlaufen haben. Da nur diejenigen Tests erstattungsfähig sind, ist es neben dem Qualitätsanspruch auch ein wirtschaftliches Interesse der Teststellenbetreiber, ausschließlich positiv evaluierte Antigentests des PEI zu verwenden. Alle gelisteten und positiv evaluierten Tests weisen das N-Protein nach. Einige wenige weisen sowohl N- als auch S-Protein nach.
Zuletzt möchte ich noch einen Hinweis geben, der hinsichtlich der Qualität der Testergebnisse einen weiteren immensen Stellenwert besitzt. Neben dem ausgewählten Antigentest ist die ordnungsgemäße Durchführung des Abstriches eine weitere äußerst entscheidende Komponente hinsichtlich der Detektion einer Virusinfektion. Zur Durchführung habe ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Fachabteilung eine Schulung vorbereitet und zur Verfügung gestellt, bei der die ordnungsgemäße Probennahme im vorderen Nasenbereich, sowie die ordnungsgemäß angelegte persönliche Schutzausrüstung für den Abstrichnehmer bzw. die Abstrichnehmerin ausführlich erklärt werden. Neben der Probengewinnung sind auch weitere in der jeweiligen Gebrauchsanweisung festgelegte Vorgaben wie beispielsweise Hinweise zur Lagerung, Ablesetemperatur sowie Ablesezeitpunkt zwingend einzuhalten, um verwertbare und verlässliche Testergebnisse zu erhalten.“
„Die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger hat höchste Priorität. Sorgen oder auch Beschwerden werden sehr ernst genommen und mit Hilfe unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgehend adressiert. In diesem Zusammenhang werden auch die Teststellen durch uns überwacht, so dass die angesprochenen Punkte zur Durchführung vor Ort kontrolliert werden“, so Anna Bendel abschließend.