Landesdrogenkonferenz 2025

Social Media, KI und Kommunikation – beeinflusst das unsere Fachlichkeit?

46. Fachtagung der Landesregierung
mit den Einrichtungen der Suchthilfe in Rheinland-Pfalz

Montag, 16. Juni 2025
Erbacher Hof, Mainz

Informationen zur Landesdrogenkonferenz
Flyer „Landesdrogenkonferenz 2025: Social Media, KI und Kommunikation – beeinflusst das unsere Fachlichkeit?“

www.suchtprävention.rlp.de



Programm

9.30 Uhr Eröffnung und Begrüßung 

Dörte Schall
Ministerin für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung
des Landes Rheinland-Pfalz

Heike Gorißen-Syrbe
Präsidentin des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung in Rheinland-Pfalz


Holzscheiben mit Symbolen Telefon, Brief und E-Mail

Kontakt

Nina Roth
06131 967-704
roth.corina(at)lsjv.rlp.de

Christian Schaack
06131 967-705
schaack.christian(at)lsjv.rlp.de

10.00 Uhr Diagnostik und Therapie von Internetnutzungsstörungen: Ergebnisse der AWMF-Leitlinie

Hans-Jürgen Rumpf
Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie,
Forschungsgruppe S:TEP

Internetnutzungsstörungen sind weit verbreitet und klinisch anerkannt. Dazu gehören Störungen im Zusammenhang mit Computerspielen, Shopping, der Nutzung von sozialen Netzwerken und Online-Pornografie. Zur Verbesserung von Diagnostik und Therapie dieser Internetnutzungsstörungen wurde eine Leitlinie erstellt, an der 40 Expertinnen und 12 Fachgesellschaften und Verbände beteiligt waren. Der Beitrag stellt die Ergebnisse der Leitlinie vor.

10.45 UhrKaffeepause

11.00 Uhr Internetsüchte bei Frauen und Mädchen – Was wissen wir über Besonderheiten im Erscheinungsbild, der Diagnostik und der nötigen Hilfen?

Kai W. Müller
Dr. Dipl.-Psych. Leitung Forschung, Diagnostik & Evaluation: AFS – Ambulanz für Spielsucht an der Klinik und Poliklinik für Psychosoma-tische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz

Internetnutzungsstörungen stellen ein Störungsbild dar, welches für Betroffene erhebliche Einschränkungen in der Lebensführung und erhöhte psychosoziale Belastungen verursachen. Nach etwa 20 Jahren Forschung und klinischer Praxis klären sich immer mehr Fragen zu diesem noch immer neuen Störungsbild. Kritisch zu bewerten ist, dass ein Großteil unserer klinischen Erfahrung und der Forschung auf Daten von männlichen Betroffenen beruht. Dass wir es hier mit einem „blinden Fleck“ zu tun haben, weisen aktuelle epidemiologische Studien eindeutig aus: In der deutschen Allgemeinbevölkerung zeigt sich, dass Männer und Frauen ähnlich häufig von Internetsucht betroffen sind. Gleichzeitig suchen betroffene Frauen und Mädchen deutlich seltener suchtspezifische Hilfe auf als Männer und Jungen.
Um diese Versorgungslücke perspektivisch zu schließen, vergab das Bundesministerium für Gesundheit zwei Förderungen an die Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin Mainz und den Fachverband Medienabhängigkeit e.V.
Der Vortrag möchte entsprechend Fachkräfte über Besonderheiten im Erscheinungsbild der Internetsucht bei Frauen aufklären und „net_WORKOUT“, ein bewusst niederschwellig angelegtes Beratungskonzept für weibliche Betroffene vorstellen.
 

11.45 Uhr KI in der Sozialen Arbeit: Perspektiven zwischen Professionsmanipulation und Arbeitserleichterung

Prof. Dr. phil. Julian Löhe
Fachbereich Sozialwesen, FH Münster, Leiter Masterstudiengang
Sozialmanagement, Forschungsgruppe Münster „KI in der Sozialen Arbeit“

Der Vortrag gibt eine technische Einführung in KI und zeigt auf, wie algorithmische Fehler und Biases die Fachlichkeit gefährden können. Während KI als Arbeitshilfe diskutiert wird, bleibt die zentrale Frage: Wie kann sie tatsächlich unterstützen, ohne professionelle Standards zu untergraben?

12.30 Uhr Mittagspause

Foren ab 14.00 Uhr

Forum 1 Therapieansätze in der Medienabhängigkeit

Inanspruchnahme von Hilfen bei Internetnutzungsstörungen und Bedarfe im Hinblick auf Prävention und Therapie

Benjamin Grel
Forschungsgruppe S:TEP, Universität Lübeck

Problematische Internetnutzung und Internetnutzungsstörungen wie Computerspielstörung oder Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung stellen eine neue Herausforderung für die Versorgung im Rahmen von Prävention und Intervention dar. Kaum bekannt ist hierbei, welches Inanspruchnahmeverhalten von Betroffenen vorliegt. Trotz hoher Prävalenzen sind die Raten der Inanspruchnahme von Suchtberatungsstellen und Entwöhnungseinrichtungen sehr gering, die Inanspruchnahme von Präventionsmaßnahmen oder die Nutzung nicht-suchtspezifischer Behandlungsangebote ist bislang nicht bekannt. Das gilt sowohl für klinisch relevante Störungen des Internetnutzungsverhaltens als auch für Frühformen. 
Die aktuelle Studie hat in einer Panel-Stichprobe ermittelt, welche Hilfen derzeit bereits von Personen mit problematischer Internetnutzung in Anspruch genommen werden, welche Inanspruchnahme- Motivation und welche Hemmnisse bestehen. Darüber hinaus wurde erhoben, welche Hilfen insbesondere von Betroffenen als relevant benannt werden und welche Zugänge oder Kontakte zur Zielgruppe als adäquat oder aussichtsreich erscheinen. Die Daten dienen zur Einschätzung der Versorgungssituation sowie zur Planung und Entwicklung von Interventions- und Präventionsangeboten. 
Geplant ist eine Vorstellung der Ergebnisse, gefolgt von einer Diskussion und einem Erfahrungsaustausch, um die Inhalte um zusätzliche Perspektiven zu bereichern.
 

Therapie als ZuMUTung – die Akzeptanz- und Commitment-Therapie für Menschen mit problematischer Nutzung von neuen Medien

Prof. Dr. Nina Romanczuk-Seiferth
Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie, MSB Medical School Berlin

Exzessive Nutzung von Onlinespielen, sozialen Netzwerken, von Pornographie, Streaming-Diensten oder Online-Shopping: Es finden sich verschiedene medien- und internetbezogene Nutzungsformen, die für die Betroffenen zu einem Problem werden können. Entsprechend erscheint es schwierig, dieser Vielgestaltigkeit problematischer Verhaltensweisen einen jeweils passenden und evidenzbasierten therapeutischen Ansatz entgegenzusetzen. Mit Blick auf die funktionale Einordnung dieser Verhaltensweisen finden sich jedoch wichtige Ähnlichkeiten. So dient das jeweilige Medien- bzw. Internetnutzungsverhalten für die Betroffenen häufig der Bewältigung von Stress und der Vermeidung bzw. Regulation unerwünschter Zustände. Die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) folgt einem transdiagnostischen, prozessorientierten Ansatz, der die Förderung psychischer Flexibilität zum Ziel hat – insbesondere auch mit Blick auf den Umgang mit negativen Gefühlen oder belastenden Gedanken. Die ACT ist daher gut geeignet, Menschen dabei zu begleiten, mehr Kompetenzen und Erfahrungen im Umgang mit den eigenen inneren Zuständen, die das problematische Verhalten auslösen, zu entwickeln. Dieser Workshop gibt einen ersten Einblick in die zentralen Konzepte der ACT und deren praktischen Anwendung in der Behandlung von Menschen mit medien- bzw. internetassoziierten Störungen.
 

Forum 2 Digitalisierung in der Suchthilfe

Vorstellung des Memorandums „KI in der Suchthilfe“

Andrea Hardeling
Geschäftsführerin der Brandenburgischen Landestelle für Suchtfragen e. V., M.A. Sozialmanagement | Organisationsentwicklung, Dipl. Sozialarbeiterin

Das „Potsdamer Memorandum – KI in der Suchthilfe“ wurde von der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V.  im Rahmen einer Zukunftswerkstatt mit Expert*innen aus Suchthilfe, Wissenschaft, Verbänden und Technologie entwickelt. Es enthält zentrale Leitlinien und Positionen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Suchthilfe, darunter ethische Aspekte, Chancen und Herausforderungen sowie mögliche Einsatzszenarien. Nach einer Einführung in die Kernaussagen des Memorandums werden die Teilnehmenden eingeladen, zentrale Themen zu diskutieren und weiterzudenken. Der Workshop bietet Raum für einen offenen Austausch darüber, wie KI die Suchthilfe unterstützen kann und welche weiteren Maßnahmen es braucht, um den Einsatz von KI in der Suchthilfe und -Prävention sinnvoll und verantwortungsvoll zu gestalten
 

„Hallo, ich bin SuchtGPT“: Gestaltung, Programmierung und Testung eines KI-Chatbots für Suchtfragen

Dr. Nina Becker
Dipl. Psychologin., wissenschaftliche Mitarbeiterin, delphi Gesellschaft für Forschung, Beratung und Projektentwicklung mbH

Fabian Leuschner
Dipl.-Psychologe, Geschäftsführung und Projektleitung, delphi Gesellschaft für Forschung, Beratung und Projektentwicklung mbH

Mit Hilfe generativer künstlicher Intelligenz soll im SuchtGPT Projekt ein Chatbot realisiert werden, der Fragen aus dem breiten Themenspektrum der Suchthilfe möglichst korrekt und qualitätsgesichert beantworten kann. Im Rahmen des Vortrags werden das Vorhaben sowie die damit verbundenen Herausforderungen erläutert und der aktuelle Entwicklungsstand vorgestellt. Anschließend werden mit den Teilnehmenden die Chancen und Risiken des Einsatzes generativer KI in der Suchthilfe diskutiert.
 

Forum 3 Soziale Arbeit im Netz

Digital Streetwork Bayern – Aufsuchende Jugend(sozial)arbeit im Netz

Jonas Lutz
Bayerischer Jugendring, Projektkoordination Digital Streetwork Bayern

Digital Streetwork Bayern ist ein bayernweites Modellprojekt des BJR, das den aufsuchenden Ansatz der Mobilen Jugendarbeit auf die Online-Lebenswelten junger Menschen überträgt. 14 Digital Streetworker:innen beteiligen sich an Online-Communitys und Gruppen, posten eigene Inhalte und haben ein offenes Ohr für junge Menschen, die sich in belastenden Situationen befinden. Und das kommt bei der Zielgruppe an. Seit Projektbeginn im Herbst 2021 standen die Digital Streetworkerinnen und -worker mit rund 15.000 jungen Menschen in Kontakt. Im Workshop gibt Projektkoordinator Jonas Lutz (BJR) einen Einblick in die Konzeption und Methoden des Ansatzes DSW und diskutiert die Chancen und Herausforderungen des noch jungen Arbeitsfeldes der Digital Streetwork.
 

Digitale Sucht-Selbsthilfe der Guttempler – Peers, Apps und Social Media

Andrea Ostertag
B.Sc. Health Communicatio, Suchtreferentin Guttempler in Deutschland e. V., Projektmitarbeiterin „SoberCircle“-App

Die Suchtselbsthilfe ist im Wandel und wir wollen diesen Wandel mitgestalten. Digitale Hilfsangebote sind heute nicht mehr wegzudenken und bilden zunehmend einen zentralen Bestandteil der Selbsthilfelandschaft. Deshalb haben wir als Guttempler neben unseren Gruppen eine Reihe von digitalen Projekten entwickelt. Dazu gehören Peer-Beratungsangebote, virtuelle Gruppen, eine Lifestyle-App und natürlich unsere Homepage und Social-Media-Auftritte. Wie das angenommen wird, was unser Ansatz ist und welche Erkenntnisse wir bisher daraus gewonnen haben, erfahren Sie in diesem Workshop.
 

Forum 4 Prävention der Medienabhängigkeit

„Vernetzt & digital Zugänge schaffen“: Medienpilot – ein Kooperationsangebot von Familienbildungsstätten und der Smarten Region MYK10

Mareike Franzen
Projektmanagerin, Smarte Region MYK10

Melanie Hellmann
Koordinatorin Medienpilot, Kath. Familienbildungsstätte Mayen e. V.

Am Beispiel der Online-Reihe „Mit Groß und Klein durch die mediale Welt“ wird aufgezeigt, wie durch eine vernetzte Zusammenarbeit mit digitalen (Bildungs-) Angeboten unterschiedliche Zielgruppen erreicht werden können. Dabei wird deutlich, über den Tellerrand schauen lohnt sich. Denn auch zunächst ungewöhnlich wirkende Kooperationen können sich als passend und effektiv erweisen. Insbesondere wenn es darum geht, Themen und Angebote einer breiten Bevölkerungsgruppe zugänglich zu machen.
 

Breaking the Game - eine webbasierte Intervention für Jugendliche und junge Erwachsene mit Symptomen einer Computerspielstörung

Anne Schreiber
Assistenzärztin Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie, LWL Universitätsklinik Hamm

Im Rahmen des Forschungsprojektes Onlinebrücke wurde das interaktive, individuelle und evidenzbasierte Onlinetraining Breaking the Game für Jugendliche und junge Erwachsene entwickelt, die Symptome einer Computerspielstörung zeigen. Es stellt einen niederschwelligen, orts- und zeitunabhängigen Zugangsweg dar, der das Problembewusstsein fördern und die Motivation erhöhen kann, Suchtberatung oder Hilfe in Anspruch zu nehmen. Durch zusätzliche Vermittlung von Beratungsangeboten im Training soll bei Bedarf eine Unterstützung durch Beratungsstellen angeboten werden. Im Rahmen des Workshops soll das Onlinetraining Breaking the Game mit möglichem Einsatz in der Suchtberatung vorgestellt werden.
 

Forum 5 Klinische Arbeit bei Internetnutzungsstörung

Behandelbar! Beratung und Psychotherapie bei spezifischen Internetnutzungs-störungen

Kai W. Müller
Dr. Dipl.-Psych. Leitung Forschung, Diagnostik & Evaluation: AFS – Ambulanz für Spielsucht an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz

Internetnutzungsstörungen kennzeichnen sich durch einen übergreifenden Kontrollverlust über die Ausführung spezifischer Onlineaktivitäten und führen zu teils gravierenden Beeinträchtigungen in der Lebensführung und der mentalen sowie körperlichen Gesundheit. Angesichts hoher Prävalenzzahlen und des mit der Erkrankung verbundenen Leidensdrucks sind störungsspezifische Interventionen von großer Bedeutung in der Gesundheitsversorgung.
Der Workshop stellt ausgehend von den kürzlich veröffentlichten s1-Leitlinien „Diagnostik und Therapie bei Internetnutzungsstörungen“ zwei spezielle Interventionsansätze vor.

  • Net_WORKOUT – Eine Kurzzeit-Empowerment-Beratung, welches speziell für weibliche Betroffene mit einer suchtartigen Nutzung von Sozialen Netzwerkseiten entwickelt wurde.
  • STICA – Ein verhaltenstherapeutisch ausgerichtetes Therapieprogramm für verschiedene Formen der Internetsucht
Weiter so oder etwas ändern? – Entwicklungspotenziale in der Rehabilitation Suchtkranker

Dr. med. Dieter Geyer
Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie, Neurologie, Psychotherapie, ehem. Ärztlicher Direktor Johannesbad Fachkliniken Fredeburg, Holthauser Mühle und Adaption Dortmund

15.30 Uhr Kaffee und Kuchen

16.00 Uhr Ende der Tagung 

Die Angebote zur Entwöhnungsbehandlung Suchtkranker sind in Deutschland im internationalen Vergleich differenziert und erfolgreich. In den letzten Jahren konnten die Behandlungsergebnisse allerdings nicht mehr verbessert werden. Veränderte Konsummuster und Bedarfe der Betroffenen erfordern, technische Innovationen ermöglichten Anpassungen, deren Umsetzung durch Fachkräftemangel, Überregulierung und knappe finanzielle Ressourcen erschwert wird. 
Der Beitrag wagt einen Blick in die Zukunft. Chancen werden in einer weiteren Anpassung der Behandlungsangebote an die Bedarfe spezifischer Gruppen, im Ausbau berufsbezogener Interventionen, der Nutzung moderner Kommunikationsmöglichkeiten, der Intensivierung sektorenübergreifender Zusammenarbeit und der Implementierung suchtmittelspezifischer Ablehnungstrainings einschließlich der Nutzung von Augmented Reality gesehen.